Deutschlandfunk | 01.12.1991 | Marita Berg | December 1, 1991
[Hörbeispiel: Schumann, Märchenbilder: Lebhaft – 1’44]
Rechtzeitig zur kalten Jahreszeit, wenn man sich gerne mit einem Buch oder einer guten Schallplatte in eine warme Zimmerecke zurückzieht, ist jetztMehr lesen
Rechtzeitig zur kalten Jahreszeit, wenn man sich gerne mit einem Buch oder einer guten Schallplatte in eine warme Zimmerecke zurückzieht, ist jetzt eine neue CD erschienen, die ein ebenso märchenhaftes mit bemerkenswertes Programm zu bieten hat: Einige selten gespielte Werke und die reizvolle Instrumentenpaarung dieser Produktion, mit Bratsche und Klavier, sollten im hektisch anrollenden Weihnachtsgeschäft der Schallplattenindustrie nicht untergehen.
„Märchenbilder – Meisterwerke für Viola und Klavier“ ist der Titel der CD, die jetzt beim Audite-Verlag erschienen ist. Der ungarische Bratscher Vidor Nágy und sein Begleiter Günter Schmidt haben hier Originalkompositionen und Bearbeitungen aufgenommen. Neben den bekannten Namensgebern, den „Märchenbildern“ von Robert Schumann, aus denen Sie zu Beginn schon einen Ausschnitt gehört haben, laden auch Charakterstücke oder Werke mit programmatischem Inhalten von Béla Bartók, Zoltán Kodály und Manuel de Falla zum Träumen ein.
Aus der „Suite populaire espanole“ von Manuel de Falla nun „El pano moruno – Das maurische Tuch“: Das orientalische Flair und das „Gitarre-zupfen“ in den Begleitfiguren kommen in der Bearbeitung für Bratsche sogar besser zur Geltung als in der Originalfassung für Violine und Klavier.
[Hörbeispiel: de Falla, Suite populaire espanole: El pano moruno – 2’03]
In ihrer Werkauswahl hat die neue CD des Audite-Verlags nicht nur so bekanntes wie de Fallas „Suite Espanole“ zu bieten, mit der „Sonata“ für Viola und Klavier der englischen Bratscherin und Komponistin Rebecca Clarke wurde auch ein sehr selten zu hörendes Werk aufgenommen.
1886 in Harrow geboren, machte Rebecca Clarke vor allem in der Zeit zwischen 1910 und 1940 als Solistin und Kammermusikerin Karriere. Mit ihren Kompositionen, die in Deutschland leider nie richtig bekannt wurden, bereicherte sie die karge Literatur für die Bratsche. In den Jahren 1918 und 1919 hat Rebecca Clarke die „Sonata“ für Viola und Klavier geschrieben. Die Sonate ist deutlich vom Impressionismus beeinflußt und bietet der Viola viele Möglichkeiten: virtuose Brillanz und wehmütige Cantilenen bringen den charaktervollen Ton und die Ausdruckspalette des Instruments voll zur Geltung.
Hören Sie einen Ausschnitt aus dem 3. Satz, „Quasi pastorale“ überschrieben.
[Hörbeispiel: Clarke, Sonata: Quasi pastorale – 3’28]
Der ungarische Bratscher Vidor Nágy und Pianist Günter Schmidt sind seit 10 Jahren ein eingespieltes Team: Auf ihrer neuen „Märchen“-CD beweisen sie Sinn für den Erzählcharakter der eingespielten Werke, für die gefühlsbetonte, aufregende Erzählweise Rebecca Clarkes ebenso, wie für Manuel de Fallas mediteranen Tonfall oder für die romantischen Märchenbilder Robert Schumanns.
Die sehr direkte Aufnahmetechnik der CD, mit schöner Raumwirkung, bewahrt dem Klavier den Glanz und unterstützt den warmen Farbton der Bratsche. Das deutsch-ungarische Duo musiziert mit sehr viel Seele und legt Wert auf gesangliche Phrasierung in den langsamen Sätzen, gerät aber auch bei den komplizierten folkloristischen Rhythmen in den Werken Bartóks und Kodálys nie ins Straucheln. In den schnellen Sätzen gehen zwar einige Feinheiten im temperamentvollem Schwung des Ungarn unter und gelegentlich klingt auch der Ton in den Extremlagen leicht verkrampft – trotzdem eine gelungene Werbung für das immer noch vernachläßigte Instrument Bratsche.
Hören Sie zum Schluß nun den ersten Satz der „Märchenbilder“ op. 113 von Robert Schumann, mit Vidor Nágy, Viola, und Günter Schmidt, Klavier.
[Hörbeispiel: Schumann, Märchenbilder: Nicht schnell – 3’52]
Rechtzeitig zur kalten Jahreszeit, wenn man sich gerne mit einem Buch oder einer guten Schallplatte in eine warme Zimmerecke zurückzieht, ist jetzt